So forscht China seine Bürger aus

Der Social Score bestimmt über den Lebensstandard

Welche Dimensionen SCS erreicht, wird deutlich, wenn man die möglichen Folgen eines hohen und eines niedrigen Punktestands betrachtet: Wer ein gutes Rating vorweisen kann, der bekommt nicht nur leichter einen Bankkredit, er bekommt auch einfacher ein Flugticket für eine Auslandsreise und das passende Ausreise­visum dazu. Wie viel man für seine Krankenversicherung zahlen muss, ob man eine Zulassung für sein Auto bekommt und ob die eigenen Kinder studieren können: All dies hängt nach dem Willen der chinesischen Staatsführung künftig von Social-Rating ab.
Für Menschen mit einem niedrigen Kontostand können die Folgen gravierend werden: Sie haben es nicht nur schwerer, eine gute Wohnung, einen Kredit oder eine günstige Krankenversicherung zu bekommen. Sie können im Extremfall auch ihren Job verlieren – und grundsätzlich als gesellschaftlich unzuverlässig eingestuft werden.
Ein niedriges SCS-Rating kann sogar die Bewegungsfreiheit einschränken. Im Februar 2017 bestätigte der Oberste Volksgerichtshof in Peking eine Regelung, die in den letzten Jahren über sechs Millionen Chinesen aufgrund sozialen Fehlverhaltens den Zugang zu Flugzeugen verwehrte. 1,65 Millionen Chinesen sind sogar vom Bahnverkehr ausgeschlossen.

Totale Überwachung

Eine totale Bewertung des Bürgerverhaltens setzt auch eine totale Überwachung voraus. Und hier dürfte China international eine Führungsrolle einnehmen, die bisher bekannte Massstäbe sprengt. Rund 170 Millionen Videokameras setzen die Behörden landesweit ein, um vor allem die Städte lückenlos zu überwachen. Bis 2020, so der Plan, sollen weitere 400 Millionen Kameras hinzukommen. Dann wird auf etwa drei Chinesen ein Videospion kommen. Um die zahllosen Videosignale überhaupt sinnvoll auswerten zu können, arbeiten die Polizeibehörden intensiv an der Einführung einer Gesichtserkennungs-Software.
Wie erschreckend effektiv dieses System inzwischen funktioniert, konnte der BBC-Reporter John Sudworth Ende 2017 am eigenen Leib erfahren. Er streifte zu Fuss durch die City der Millionenmetropole Shanghai – und die Polizei brauchte gerade einmal sieben Minuten, um ihn zu finden und zu stellen. Dabei ging es nicht darum, einen potenziell missliebigen Journalisten festzusetzen. Ganz im Gegenteil: Die Stadtverwaltung von Shanghai hatte Sudworth eingeladen, um ihm die Leistungsfähigkeit ihrer Überwachungstechnik zu demonstrieren.
Im Gegensatz zu Geheimdiensten wie der ehemaligen Stasi geht die chinesische Staatsführung unter dem neuen starken Mann Xi Jinping mit den Möglichkeiten der Überwachung ganz offen um. Sie sieht die Chinesen nicht als Menschen mit einer fragilen Privatsphäre, die es zu schützen gilt, sondern als Staatsbürger, zu deren Pflicht es gehört, durch ein systemkonformes Leben der Gesellschaft nützlich zu sein. Dass dabei kritische Geister dauerhaft in Misskredit kommen, ist für Xi kein Fehler im System, sondern ganz natürlich. Der Staatspräsident hat offiziell die Losung ausgegeben «einmal unglaubwürdig, dauerhaft eingeschränkt».



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